Karfunkel und Furunkel

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So ist vielleicht dem ein oder anderem der Begriff "Karfunkel" bekannt. Ich kenne es nur von dem Buch "Mein Freund Karfunkel" (1979) von Rosel Klein, in dem ein Mädchen sich nach anfänglichem Hass mit dem Sohn des Direktors namens "Himmelsbach" anfreundet. Da sieht man mal wieder, was man sich alles ungewollt merkt. Besonders dieser außergewöhnliche Name blieb hängen, den nun übrigens auch der Oberbürgermeister meines Heimatbezirks Heilbronn (wer's nicht kennt, hat nichts verpasst) trägt. Doch was der Name Karfunkel bedeutet, wurde im Buch nicht enthüllt und so verbinde ich den Namen mehr mit einer unangenehmen Hauterscheinung: dem Furunkel.
Dank meines Lieblingsbuches, dem Duden Herkunftswörterbuch, mit der mythischen Seriennummer 7, konnte ich diese eklatante Wissenslücke, über die Günther Jauch sicher den Kopf geschüttelt hätte, ausfüllen:
Mit "Karfunkel" bezeichnet man feurig rote Edelsteine. Ursprünglich aus dem Lateinischen entlehnt "Carbunculus" (--> Karbon-...) wurde es mit dem deutschen Götterfunken im Hinterkopf umgewandelt in Karfunkel.
Dieser Stein war mit Sagen umgeben, wie uns die Gebrüder Grimm lehren. Er wuchs als Heil- und Zaubermittel im Schädel des Einhorns, im Gehirn der Kröte, sogar im Magen des Kapaunen (kein Wunder, dass ihn heute kaum einer mehr kennt. Wer sucht schon dort danach?). Als Tinkturschatz in der Alchemie gepriesen, fand er auch viel Wertschätzung unter den romantischeren Schreiberlingen. Albertinus: "Der karbunkl ist fewrfärbig und scheinet dermaszen, dasz sein glanz so gar durch die nacht nit kan uberwunden werden." (der welt tummel- und schauplatz; München 1612: 839)
Und was macht man mit neuem Wissen? Genau man freut sich, wenn man dadurch die Fehler anderer Leute entlarven kann und die Welt ein bischen besser versteht. Bestes Beispiel bei der Google-Suche nach dem Karfunkel-Buch: Sir Arthur Conan Doyles "Der blaue Karfunkel". Da wusste wohl auch die Übersetzerin die genaue Bedeutung nicht mehr.
Aber eine Lysann will es genau wissen: Woher kommt nun das Wort Furunkel?
In der Wortabteilung F stoße ich auf einen besonders großen Abschnitt der zu dem gesuchten Wort gehört. Treffer! Das bedeutet nämlich, besonders viel Geschichte und Assoziationen. Lassen wir uns mal in die Geschichte des vernachlässigten Furunkels führen:
Im 16. Jahrhundert - wie so vieles aus den lateinische Gefilden gewaltsam ins germanische Reich rübergezerrt - wurde unser sympathisches Wort für "Eitergeschwür" vom lateinischem furunculus entlehnt. Wie wir alle wissen, oder zumindest ich nach mehreren Jahren Unterricht wissen sollte, ist Furunculus eine Verkleinerungsform von der Stammform "Fur", dem Dieb. Wir haben es also mit einem "kleinen Spitzbuben" (Duden) oder Diebchen zu tun. Nachgewiesen ist auch die Bedeutung als "Nebenschössling", aus dem Gebiet der Rebstöcke. Das führt zu der Theorie, dass Winzer das Wort 'Furunkel' ähnlich wie 'Geiz' (im Sinne von 'schmarotzender Trieb') ursprünglich scherzhaft gebrauchten, weil die kleineren Nebentriebe des Rebstocks dem Haupttrieb den Saft 'stehlen'.
Und was haben nun Rebstöcke mit unseren heutigen Furunkeln zu tun?
Wohl weil ein Geschwür dem Auge am Rebstock ähnelt und eine Blutkonzentration um den Eiterherd bewirkt - also somit Körpersäfte moppst - übertrug ein phantasievoller Arzt den Begriff auf die Entzündung.
Dies war also der langversprochene etymologische Abstecher in die tiefsten Tiefen des verborgenen Wortsinns. Konnte ich euer Herz nicht mit meiner Geschichte über Furunkel erwärmen, so sollen Goethes Worte für mich sprechen:
"doch ich fühle schon erbarmen
im carfunkel deines blicks."
Lysann - 10. Jan, 19:41
nömix - 13. Jan, 09:20
Das ist wahr, der Herkunfts-Duden ist eine Fundgrube. Aufschlussreich z.B. auch die Einträge über Kartoffel und Porzellan, wie die beiden Wörter ursprünglich aus Missverständnissen entstanden sind.
(schöne Sprechstimme, Kompliment ;)
(schöne Sprechstimme, Kompliment ;)
Lysann - 13. Jan, 14:39
Vielen Dank für das Kompliment!
Ich muss sagen, dass es für mich erschreckend ist, beim Hören meiner Stimme genau erkennen zu können, was ich beim Vorlesen gedacht habe.
Die Geschichte des Porzellans war für mich neu und vor allem herrlich skurril. Daher Danke - ein zweites Mal.
Ich muss sagen, dass es für mich erschreckend ist, beim Hören meiner Stimme genau erkennen zu können, was ich beim Vorlesen gedacht habe.
Die Geschichte des Porzellans war für mich neu und vor allem herrlich skurril. Daher Danke - ein zweites Mal.
Papilia (Gast) - 15. Jan, 14:51
karfunkel
Ich kannte das Wort Karfunkel nur vom Mittelalter/Reenactment-Magazin "Karfunkel". Schön, dass ich jetzt auch weiß, woher der Bergriff stammt.
Papilia (Gast) - 15. Jan, 14:53
woher der Begriff stammt, meine ich natürlich.
Weiter so!