5
Feb
2008

Zehnspurige, italienische Gedankenautobahnen

Kennt ihr das?
Plötzlich sitzt ihr mit sechs angefangen Aufgaben da und habt den Überblick verloren.

Bei mir passiert das sehr leicht. Es fängt an, dass ich:

einen Text übersetze (a)
und nebenbei interessante Bücher aus dem Online-Büchereikatalog heraussuche (b)
beim Text übersetzen (a) dann ein Wort nachschlagen muss --> Leo (c)
dabei auf ein andere Wort stoße, dass ich zuvor (!) schon im Etymologielexikon nachschlagen wollte und jetzt darin weitersuche (d)
aber dann kommt mein Mitbewohner herein und will Einkaufen gehen (e)
weil er aber noch ein wenig Zeit brauchte, um sich umzuziehen, habe ich noch nach Bildern aus dem Film "The Mummy Returns" geschaut (f), da mir dort die Frauenkampfszene sehr gut gefällt.
Jetzt komme ich vom Einkaufen zurück und beantworte eine Mail von einer Freundin (g)
aber nicht ohne zuvor nach dem Lied gesucht zu haben, dass mir im Auto auf dem Weg zum Einkaufen so gut gefallen hat, nämlich "Don't talk just kiss" von Right Said Fred (h)
und ändere danach die von meiner Freundin angesprochene Stelle (g) in meinem Blog (i)
und überlege ob ich allgemein den Aufbau ändern sollte und google nach Ideen (j)
und beim Essen nebenher von Datteln sehe ich wieder das nachgeschlagene Wort (c) erinnere mich wieder an die Etymologie (d) und frage mich, was ich eigentlich bevor all diese Zwischeneinfälle kamen eigentlich machen wollte.

Jedenfalls erklärt dies das Phänomen, dass ich abundzu bis zu 10 Tabs offen habe, vier offene Bücher um mich herum gestapelt, mehrere Notizettel in verschiedenen Stadien an allen möglichen Stellen kleben habe und zwischendrin verstreut Tee und Litschis stehen. Nicht zu vergessen, den Einkaufskorb (k), die noch offene Frage, ob ich mir was kochen soll (m) und mein Mitbewohner, der mir die Rechnung gibt, die ich bitte überweisen soll (n).

Ok, das sind keine sechs offenen Aufgaben, die ich gerade auf meiner zehnspurigen, italienischen Gedankenautobahn zu koordinieren versuche - das sind "n" - also 14 + momentan Blog schreiben.

Aber um ehrlich zu sein: Wenn ich nur eine Aufgabe hätte, würde ich sie nicht machen, weil es mir zu langweilig wäre...

1
Feb
2008

Und wenn



Und wenn das Rad sich wendet
spürst du wie alles dreht
das Gute leise endet
die Hoffnung still vergeht.

Die Farbe Grau kippt über
das Licht in matt getaucht
sehn wir zum Land hinüber
die Sehnsucht aufgebraucht.

Eisenhelme im Februar

Ich war wieder am Blättern durch mein Herkunftswörterbuch als ich auf den Isegrim stieß.
Isegrim?
War das nicht der Wolf?
Man trifft ihn heutzutage wohl öfter in den Kreuzworträtseln als in den Märchenbüchern.


Seit dem 10. Jahrhundert ist Isangrim ein Männername, der so viel heißt wie "Eisenhelm". Der Namensteil "grim" wird hier noch als Helm oder Maske verstanden, was man auch am Wort "Grimasse" sehen kann. Die Zeit kam und ging und aus dem Mann Isangrim (hört sich stark nach einem Zwerg aus Terry Pratchetts Scheibenweltromanen an) wurde der Märchenwolf Isegrim. Der ist schon eine Spur 'grimmiger' - vielleicht weil die Gebrüder Grimm ihre Hände ihm Spiel hatten.

Hm, ganz nett, denke ich. Doch wo ist sein viel beeindruckenderer Freund der Fuchs Reineke? Ich kann mich noch erinnern, dass ich seinen Volksnamen "Reineke" als erstes von meinem alten Physiklehrer zu hören bekam. Wie es dazu kam ist mir auch rätselhaft. Jedenfalls findet man Reineke so nicht im Herkunftswörterbuch. Dabei war er mein großes Vorbild in jungen Jahren: In den verzwicktesten Lagen sich mit Wörtern den Weg freizukämpfen und dann besser als zuvor aus der Geschichte herauszugehen - das kann und lehrt Reineke. Und wäre ich klüger gewesen, hätte ich schon damals seine gewieften Reden und Tricks analysiert und auswendig gelernt. Man trifft nicht oft einen Meister.

Also führt die Reise zu Wikipedia, wo es anscheinend für alles Experten gibt. Ich versuche mich nicht mehr zu wundern und tue es doch immer wieder. In Wikipedia findet man ganz sicher einen Menschen, der die Geschichte der Streichholzschachtel exakt nachverfolgt hat, auf die Schachtelgestaltung derart eingeht, dass selbst noch Kunstlehrer davon inspiriert werden könnten und alle Stellen aus der Literatur, in der auch nur ein Streichholzschächtelchen zu Boden fällt, zitieren kann. Eine Schatzgrube. So habe ich auch diesmal Glück und finde einen ausserordentlich lesenswerten Artikel zum Reineke Fuchs.

Jetzt weiß ich wirklich alles über ihn. Doch bin ich so gefüllt mit Details, dass ich nicht weiß, wie ich es am Besten wiedergeben soll. Es sei hier nur gesagt, dass der Name Reineke aus der Komposition aus regin- (=Rat) und -hart (=stark, kühn) besteht. Wer den Text liest, wird wissen, was ein Malepartus ist, warum ein Illustrator Hand in Hand mit dem verkleideten Cotta'schen Verlagsgreifen spazieren geht und wieso der gerissene Fuchs sowohl Goethe als auch Aesop beschäftigt hat.

Zurück zum Buch. Vielleicht finde ich ja unter Fuchs noch etwas interessantes? Und hier bemerke ich, dass mein Gedächtnis wirklich sensationsbedürftig ist. Ich habe den Artikel verschwommen in Erinnerung, doch steht dick mein Fazit "enttäuschend" darunter. Dabei ist der Artikel recht ausführlich und behandelt sogar die Bezeichnung als Reineke. Wahrscheinlich hatte ich damals einfach eine große Geschichte erwartet anstatt der lapidaren Erklärung, dass "Fuchs" "der Geschwänzte" bedeutet. Der Geschwänzte - wird das dem Bild von einem Meister des Wortes und der feingesponnenen List gerecht? Ich finde nicht. Aber womöglich schätzt man den Fuchs auch nicht so sehr, wenn er ständig das Mittagessen mopst. ('Sich mopsen' steht für sich langweilen, bzw. sich ärgern und wer möpselt, der riecht muffig. Was man alles lernen kann, wenn man sich bei der Anzahl der "P"s nicht sicher ist...)

Zum Abschluss schaue ich noch, wenn ich schon beim eher unauffälligen, aber netten Buchstaben F bin, beim Februar vorbei. Bin ich eigentlich allein mit meiner Angewohnheit, den Buchstaben und Zahlen irgendwelche Eigenschaften zuzuordnen? Ich finde M einfach sehr sympathisch. Doch der Februar enthält kein M, dafür eine nette Hintergrundgeschichte. Bis zum 16. Jahrhundert hieß der zweite Monat des Jahres Hornung oder Sporkel. Sporkel gefällt mir wirklich, viel besser als die strikte Durchnummerierung der Römer besonders gegen Ende des Jahres.

Februar ist ein Reinigungsmonat, im altrömischen Jahreskalender der letzte Monat vor dem Beginn des neuen Jahres, das die Iden des Märzes mit sich bringt, die Sylvesterparties der Römer. Und hier muss ich sagen, haben die Römer mal wieder ihren Sinn fürs Praktische bewiesen: Klar, dass jeder Aufräumen will und angestaute Erinnerungen entrümpelt, um Platz für das neue Jahr zu schaffen. Doch wer schon mal die zwei Stunden "Helligkeit" zum Dachbodenaufräumen nutzen wollte, sich unter lebensfeindlichen Bedingungen mit mehr als nur Rückenwind mit seinem Altpapierkorb zum Container durchkämpfen musste, der wüsste den Februar als Bilanzmonat mit Reinigungswirkung zu schätzen. Nochzumal dann sowieso wieder Frühjahrsputz ansteht. Bei der anschließenden großen Neujahrsfeier würde man sich zudem nicht die Handschuhe versauen, beim Versuch, die Sylvesterböller vom gefrorenen, heiligen Schwabenländleboden zu entfernen.

30
Jan
2008

Trauertag

Eine Stunde ist gestern alt, doch ich bezeichne es im Folgenden trotzdem als heute.
Heute war ein ziemlich schlechter Tag für zwei Menschen, die ich mag. Und heute habe ich herausgefunden, dass das eigentlich dasselbe ist, wie wenn ich selbst einen doppelt schlechten Tag gehabt hätte. Dabei war mein Tag einfach nur unaufgeregt.
Und irgendwie ist es sogar noch schlimmer als wenn man selbst einen schechten Tag gehabt hätte: Man kann nichts tun. Vielleicht fühlt sich so die Schwangerschaft für Männer an.

28
Jan
2008

Kurz vor der Amputation

Ich bin jetzt schon 20 und ein halbes Jahr alt. Doch heute morgen habe ich mich riesig darüber gefreut, dass mein kleiner Zeh aussieht als ob ich beim Holzhacken mit der Axt abgerutscht wäre.

Wie kam es dazu?

Der Film "Die Mumie II." verleitete mich zum abenteuerlichen Springen über die Sofalehne (nicht, dass ich das sonst nicht tun würde). Die ersten drei Mal ging auch alles wunderbar. Nur beim vierten Sprung war ich mit den Gedanken schon beim Milchreis auf dem Herd, bin abgerutscht und mit dem Zeh hammers (mir fällt nichts ein, was diesen Schmerzen Ausdruck verleihen könnte) irgendwie an die Sofalehne geknallt - die wohl an dieser Stelle nicht gepolstert war.
Meine WG-Männer haben sich köstlich amüsiert als ich im Kreis rumgehüpft bin und Gott, die Welt und alle Sofas dieser Erde verflucht habe.

Heute ist der Zeh also schön dunkelblau mit einem Schimmer ins Dunkelrote. Schön. Was gibt es Besseres als eine Verletzung die sehr schlimm aussieht, aber nur halb so weh tut? Normalerweise ist es doch andersrum und man kann seine Heldentaten nicht rumzeigen.

So und jetzt entschuldigt mich bitte, ich muss mir das grad nochmal anschauen. Faszinierend - wie konnte ich nur so lange ohne Kriegswunden leben?

Aufschlussreich

Blog von


Lysann

Das Entschlüsseln in all seinen Formen ist eine Leidenschaft von mir. Hier schließe ich den Alltag auf mit meinen Schlüsseln zur Welt - wie Etymologie, Symbolik, Kunst oder einfach Wortspielerei.

Im Moment ...

... baue ich an dem Zwillingsblog: lysann.wordpress.com

Druckfrische Beiträge & Kommentare:

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alles alles gute zum geburtstag hoffe du bekommst...
janet (Gast) - 30. Mai, 12:12
Zwillingsblog
Weil mir das eintönige Layout hier ein wenig auf die...
Lysann - 23. Apr, 19:12
Reportage
Das Schleichen ums Buchregal Warum eine Buchhandlung...
Lysann - 23. Apr, 18:59
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Stefan (Gast) - 23. Apr, 01:43
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Leicht strichen ihre Fingerkuppen über die Härchen...
Lysann - 23. Apr, 01:14

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