28
Nov
2007

Wöchentlich grüßt der murmelnde Postmitarbeiter

Mit Entsetzen schaue ich dem kommenden Tag entgegen: Ich muss zur Post.
Nicht weniger als ein Trauma habe ich als nettes Überbleibsel vom letzten Besuch. Eine Büchersendung war der Grund. Und eine Büchersendung treibt mich auch morgen in die Arme des gelben Nervengifts. Studenten wie ich verkaufen nämlich ihr letztes Hab und Gut (Bücher) auf Amazon.
Doch überzeugt euch selbst. Im Folgenden lest ihr den Bericht der armen - sowohl finanziell als auch schicksalstechnisch - Lysann K. aus D.

An einem eiskalten Novembernachmittag machte sich die ahnungslose Lysann K. auf den Weg zur Postfiliale D. Ihr Wunsch ist ein Luftpolsterumschlag, ausreichend frankiert, um ein Buch zu versenden. Sie stellt sich an. Sie wartet. Sie kommt dran. Marianne D. (Namen frei erfunden) empfängt sie kritisch. Was sie denn wolle. Einen gepolsterten Umschlag UND frankiert? Lysann K. wird in den Türbereich verwiesen, wo Umschläge zu finden seien. Lysann K. entgegnet, dass sie sich diese bereits zu Gemüte geführt habe, allerdings gibt es nur drei Umschläge in einem und sie benötige ja nur einen einzigen für das Buch. (Außerdem ist sie arm und die Post unverschämt - teuer.) Nein, hier gäbe es sowas nich, kontert Marianne D. Wieso nicht, will Lysann K. wissen. Ein Blick und dann ein Fingerzeig: "Da finden Sie die Umschläge. Sie müssen aber ein wenig größere als das Buch aussuchen, sonst passt das nich." Vielen Dank. Ich gehe wieder nach außen. Suche mir die passenden Umschläge aus. Vermeide, den Preis zu bemerken. Stelle mich wieder hinten an. Warte. Wieder Marianne D. Leicht zögernd. "Ja, bitte?". Lysann K. verlangt betont freundlich passende Frankierung zu den nigelnagelneuen Umschlägen. Mit einem sehr breitem Lächeln. Marianne K. "Nee, ich verkauf keine Frankierungsmarken. Da müssen sie sich nebenan anstellen. Übrigens brauchen Sie für eine Büchersendung auch spezielle Klammern. Die finden Sie da hinten..." Lysann K. versucht gelassen zu bleiben, ignoriert freundlich diesen aufmerksamen Rat und stellt sich nun bei der anderen Schlange an. Diesmal trägt Lysann K ihr Anliegen Brigitte D. vor. Wie alle Angestellten schaltet auch diese ab und muss alle Informationen nachher vereinzelt nachfragen. Notiz auf mentaler To-Do-Liste: "Ich muss gelassener werden!". Kurze Zeit später hält Frau Lysann K. ein Buch, 2 Broschüren zur Postbank, 3 Umschläge und 4 fitzelkleine einzelne Briefmarken in der Hand. Geschafft. Doch die Freude sollte nicht lange währen.
Ich rüste mich für morgen mit Schokolade, innerem erhabenen Lächeln und drei riesigen Luftpolsterumschlägen - auch wenn ich nur ein großes Buch besitze, das ich nun verkaufe - und kehre zwei Euro reicher (denn größere Umschläge sind natürlich wegen dem Materialverbrauch dreifach so teuer) heim.

26
Nov
2007

Heimfahrt

Landschaften fliegen vorbei, Fragen entstehen. Es regnet in Darmstadt. Doch ich fahre nach Hause. Nach Hause in die größte Weinbaugemeinde Baden-Württembergs.

Die Autobahn ist ein einziger grauer Gedankenfaden. Es würde mich nicht wundern, wenn ich die richtige Ausfahrt verpassen würde und irgendwann bei München merke, dass ich mich nicht mehr auskenne.
Ich habe Sehnsucht nach meiner Landschaft. Wer hätte gedacht, dass ich sie so tief im mir aufnehmen würde, dass sie ein Teil von mir wurde?

Nach dem Autobahneinerlei kommt das Burgenland. Der Weg von Sinsheim nach Eppingen windet sich um Wälder, Ruinenhügel und schlichte Felder. Es ist anders als in "der Stadt": Autos sind individuell. Tiere am Straßenrand lebendig. Nächte verträumt. Die Tage ruhen gemächlicher auf der breiten Landschaft.

Dann das letzte Tor zu meiner Heimat: Der Eppinger Wald. Düster in der Höhe, Nebel steigt aus den Wipfeln auf. Goldene Baumspitzen leuchten vereinzelt. Sobald ich eintauche, flackert Feuer an beiden Seiten empor. Laub-Lava schlängelt sich mit der Straße den Wald hinauf.

Und dann erst gibt die Landschaft den Blick frei: Weinberge. Ringsherum braun, knorrige Weinstrunke aufgefächert.
Unten kann man das Dorf sehen. Sacht führt die Landschaft den Blick auf der anderen Seite wieder hinauf, zur nächsten Hügelkuppe.
Manchmal ist es, als ob die Hügel den Blick aufspannen, die Seele wie ein Tuch über die Täler ausbreiten und der Wind darunter hindurchstreicht. Eine innere Weite.

20
Nov
2007

Eine Hommage

Ich möchte auf diesem Wege einer kleinen Person zu Ruhm verhelfen. Naja klein ist sie nicht, nur meine kleine Schwester und auch meine Hilfe zum Ruhm hat sie wahrlich nicht nötig. Doch möchte ich euch an drei Dingen zeigen, was sie zu "meiner Kleinen" macht:

1. Dass sie sich immer so verhält, als ob sie die Ältere von uns beiden ist. Manchmal glaube ich es ihr sogar. Anbei bemerkt, es liegen 6 Jahre zwischen uns. Ob sie mich beim Einkaufen fragt, ob ich auch wirklich an alles gedacht habe oder beim Autofahren sagt "Ras nicht so", ob sie meinen Lieblings-Lidl-Verkäufer in Hörweite runtermacht "Wie der dich wieder angelächelt hat! " oder mich in den seltamsten Situationen stärkt - meine Schwester ist wirklich mit allen Wassern gewaschen.

2. Sie gehört eindeutig zur Familie. Sie ist aufbrausend, und kann doch durch ihr unschuldiges Lächeln jeden rumkriegen. Sie verhandelt gerne. Wenn wir Schokolade essen, bekommt jeder eine Tafel. Anders gibts nur Krieg. Und Krieg gibt es häufig, denn bei uns wird viel gestritten, manchmal auch bis aufs Blut. Doch sind wir sind uns einig, wenn es darum geht, den Gegner niederzumachen.

3. Wir sind zwei Showqueens. Wenn wir gemeinsam Bollywoodfilme schauen, geht ein wahres Feuerwerk an Mitgefühl, Mitsingen oder ironischen Zwischenkommentaren über die Bühne. Außer sie schnappt sich mal wieder das letzte Schokobonbon - doch trotzdem: Mit niemand anderem macht Fernsehschauen soviel Spaß.

Also Janet, meine gaanz, ganz Kleine (ich weiß, das ärgert dich), ich wünsche dir alles Gute zum Geburtstag!!
Du weißt, ich bin da für dich und wenn es hart auf hart kommt, dann kommst du mal zu mir zum Urlaub machen.

So, und jetzt bist du ein bischen berühmt ;)

18
Nov
2007

Alte Straßen

Es ist alles eine Hülle. Eine Haut. Bestandteil eines größeren Körpers. Als ob beim Einatmen, alles einatmet – die Bäume, die Häuser, das Licht. Und wieder ausatmet, Spannung verliert, zusammensinkt. Und erneut nach Luft und Leben drängt.
Meine Umgebung, die Stadt in der ich nun solange Erinnerungen gemacht und sie an verschiedenste Orte geknüpft habe – diese Stadt ist nun am Ende angelangt. Ich bin überall dorthin gefahren, wo ich dachte, dass ich mich finden könnte. Und alles was ich sah, war totenstill. Das Pulsieren der Lebensadern hat diese Wege irgendwann verlassen und sich einen neuen Weg woanders gesucht. An sich keine ungewöhnliche Sache. Wenn ich nicht mitten in dieser leblosen Haut stecken würde.
Es ist alles anders heute, wenn ich durch die Stadt gehe. Leute, die diese Stadt ausmachten, haben sie verlassen. Ich habe sie verlassen.
Das Leben ist weg, nicht das Bild, und das ist wohl der schmerzhafteste Teil, den es zu Verstehen gibt.


*Anmerkung: Diese Gedanken stammen vom letzten Jahr, doch ich lasse sie hier noch einmal aufleben.

Aufschlussreich

Blog von


Lysann

Das Entschlüsseln in all seinen Formen ist eine Leidenschaft von mir. Hier schließe ich den Alltag auf mit meinen Schlüsseln zur Welt - wie Etymologie, Symbolik, Kunst oder einfach Wortspielerei.

Im Moment ...

... baue ich an dem Zwillingsblog: lysann.wordpress.com

Druckfrische Beiträge & Kommentare:

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janet (Gast) - 30. Mai, 12:12
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Lysann - 23. Apr, 19:12
Reportage
Das Schleichen ums Buchregal Warum eine Buchhandlung...
Lysann - 23. Apr, 18:59
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